Bomberpilot des Friedens


“He spent his tour of duty bombing German cities and made it home only to discover he could never leave the war behind him. Then, a lifetime later, he found a way to make peace.”

„Mit dem Bombardieren deutscher Städte tat er seine Pflicht und kehrte nach Hause zurück, nur um zu entdecken, dass er den Krieg niemals hinter sich lassen konnte. Dann, eine Lebenszeit später, fand er einen Weg, um Frieden zu machen.“

Frank Clark wird 17. Oktober 1925 als jüngstes von 9 Kindern einer Arbeiterfamilie in Süd - Wisconsin geboren. Im Alter von 13 Jahren verliert er den Vater. Im Oktober 1943 tritt der 18-Jährige in die Streitkräfte der USA ein. Sein Traum ist es, Kampfpilot zu werden. Doch es kommt anders: Frank besucht die Air Force Gunnery School in Las Vegas, Nevada, und gelangt über mehrere Zwischenstationen schließlich als Bordschütze einer B-17 der 8th USAAF, 379th Bombardment Group, 524th Squadron nach Kimbolton, England. Zwischen Oktober 1944 und April 1945 wird er an insgesamt 35 Angriffen gegen Ziele in Deutschland beteiligt sein.

Am 19. März 1945 nimmt Frank Clark als Bordschütze in der Bugkanzel einer „Flying Fortress“ am Angriff gegen Ziele in der Stadt Plauen teil. Auf dem Rückflug nach England entgeht seine Maschine – von Flak und Jägern getroffen – nur knapp dem Absturz.

Dann, unter dem Datum des 26.März 1945, vermerkt der damals knapp 20 jährige in seinem persönlichen Logbuch: “The town must have been important to rate two missions.” “Diese Stadt“, Frank Clark meint damit Plauen, „muss wichtig gewesen sein, um zwei Missionen zu verdienen.” Es ist der Tag, an dem die Vogtländische Maschinenfabrik A. G. von Bomben schwer getroffen ihre Produktion einstellen wird.

Am 6. Mai 1945 besteigt Frank Clark ein Schiff nach New York, am 23. Mai 1945 kommt er zu Hause in Wisconsin an. An seinem 20. Geburtstag wird Frank Clark demobilisiert, “I thought I couldn’t have gotten a better gift.” (Ich dachte, ein besseres Geschenk hätte ich nicht bekommen können.) Am 19. September 1946 wird er erneut zur Air Force einberufen und in Boca Raton, Florida, darin unterwiesen, die Zieleinrichtungen von B-29 Bombern zu bedienen.

Er fragt sich „Wer bin ich? Was ist los? Was tue ich hier?“ Frank wird krank, kommt für Monate ins Krankenhaus. Die Ärzte meinen, er halluziniere, hätte die Kriegserlebnisse nicht verarbeitet.

Nach seiner Entlassung aus der Klinik trifft er Ruth. Sie kommen von Anfang an gut miteinander aus. Sechs Monate später, am 15. September 1951, heiraten sie. In all den folgenden Jahren erzählt Frank nie etwas vom Krieg, er spricht nie darüber, nicht einmal zu seiner Frau. Viel zu lange trägt er viel zu viel mit sich herum. 

1981 beginnen Herzattacken. Er beginnt mehr und mehr darüber nachzudenken, wie er seine Geschichte mitteilen könnte.

Am frühen Morgen des 16. Mai 1987 – noch halb im Schlaf – schreibt Frank einen offenen Brief an alle Städte, die er bombardiert hatte. „Ich möchte, dass die Menschen wissen, wie ich mich fühle wegen dem, was ich während des Krieges getan habe.“ Bereits beim Schreiben des Briefes fühlt er sich besser, aber er hat nicht nur die Absicht, sein Gewissen zu erleichtern. Er erbittet eine Antwort von jemandem, irgendjemandem, so dass er wissen würde, dass seine Briefe angekommen sind.

Er hat keine Idee, an wen er die Briefe senden sollte. Er adressiert sie einfach „An die Öffentlichen Verwaltungen“ all dieser Städte. Frank fragt seinen örtlichen Postmeister, ob das funktionieren würde. Der sagt, „verschicke sie einfach und finde es heraus.“

Sieben Briefe kommen ungeöffnet zurück; er musste einige nach Ostdeutschland geschickt haben, den Unterschied nicht begreifend…

Aber dann beginnen Briefe aus Deutschland einzutreffen. Sie stammen nicht nur von Stadtverwaltungen, sondern auch von deutschen Bürgern von überall her. Sein Brief wird in Zeitungen quer durch Deutschland veröffentlicht.

1995 verstirbt Frank Clark. Die Veröffentlichung seiner Lebensgeschichte im „American Heritage“ Magazin hat er nicht mehr erlebt.

P. S. Vieles spricht dafür, dass Frank Clark 1987 auch aus Plauen eine Antwort erhalten hat - am Ende eines langen Weges durch politische Instanzen. „Die Menschen, die in Plauen leben“ erfuhren jedoch nichts von seiner Entschuldigung und vermochten deshalb nicht, ihm zu vergeben. Die Unterlagen wurden archiviert.

Dreiundzwanzig Jahre später – 2010-  stieß ich im Zuge von Internet-Recherchen in US-Medien auf die Geschichte von Frank Clark. Das Stadtarchiv bestätigte auf Anfrage das Vorhandensein seines Originalschreibens und weiterer Unterlagen. Diese Dokumente wurden im selben Jahr in meiner Sonderausstellung «Plauen 1945 – Finale fern der Metropolen» erstmalig in der Öffentlichkeit präsentiert. Nun endlich konnten auch die Plauener Bürger die Botschaft von Frank Clark zur Kenntnis nehmen. Für Viele kam sein Angebot zur Versöhnung allerdings zu spät.

GN

 

 

16. Mai 1987

AN  DIE  MENSCHEN, DIE  IN  PLAUEN  LEBEN

Das ist eine öffentliche Entschuldigung dafür, dass ich an der Bombardierung Ihrer Stadt am 26. März 1945 teilgenommen habe.

Nur weil wir als Soldaten auf der jeweiligen Seite den Befehl erhalten haben, unsere Pflicht zu erfüllen, heißt das nicht, dass wir die Rolle, die die anderen spielen, nicht nachempfinden können.

Während ich als Bordschütze ( … ) an 35 Einsätzen teilgenommen habe, hat mich immer der Gedanke begleitet, dass die Menschen unten auf dem Boden sowohl die Schuldigen als auch die Unschuldigen im Krieg waren.

Zweifellos sollten wir jetzt begreifen, dass Menschen mit Hass im Herzen nicht unterschätzt werden dürfen. Das ist wahrhaftig auch auf unserer Seite so.

Wir müssen in Betracht ziehen, dass die Menschen nicht vollkommen sind und viele Fehler im Umgang miteinander begehen.

Was immer wir im Leben tun, wir müssen alle darauf achten, nicht blind zu folgen.

Im Monat Mai begehen wir in den Vereinigten Staaten den Gedenktag (Memorial Day), wie Sie sicher auch in Deutschland.

Dies sollte auch die Zeit für die Vergebung früheren Unrechts sein.

Bitte nehmen Sie meine aufrichtige Entschuldigung an.

 

                                                                              Danke

                                                                              Ihr ergebener

                                                                              Frank M. Clark

 

Für meinen eigenen Seelenfrieden bitte ich darum, dass jemand auf meinen Brief antwortet